Trauma & Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
1. Definition von Trauma und PTBS
Ein psychisches Trauma ist eine tiefgreifende seelische Erschütterung, die durch ein extrem belastendes Ereignis oder eine Serie von Ereignissen verursacht wird. Dabei kann es sich um einmalige oder wiederholte Erlebnisse handeln, die die betroffene Person als lebensbedrohlich, überwältigend oder unkontrollierbar empfindet.
Wenn die psychische Verarbeitung dieser Erlebnisse gestört ist und Symptome über längere Zeit bestehen, kann sich eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickeln. Diese kann das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und geht oft mit anderen psychischen Erkrankungen einher (z. B. Depression, Angststörungen, Dissoziationen).
2. Ursachen und Arten von Traumata
A) Traumatypen
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Akutes Trauma (Schocktrauma):
- Einzelnes, plötzlich auftretendes Ereignis, z. B. Unfall, Naturkatastrophe, Überfall, plötzlicher Verlust eines geliebten Menschen.
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Komplexes Trauma:
- Wiederholte oder langfristige traumatische Erlebnisse, z. B. Vernachlässigung, körperliche, emotionale oder sexuelle Gewalt in der Kindheit, Missbrauch oder lang anhaltende Gewalt in Beziehungen.
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Entwicklungstrauma:
- Trauma, das in der Kindheit entsteht, z. B. durch emotionale Vernachlässigung, fehlende Bindung oder Misshandlung. Es kann langfristige Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung haben.
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Sekundärtrauma:
- Betroffene erleben traumatische Belastungen durch den Kontakt mit traumatisierten Menschen (z. B. Therapeuten, Polizisten, Rettungskräfte).
3. Symptome von PTBS
Nicht jeder, der ein Trauma erlebt, entwickelt eine PTBS. Die Symptome können unmittelbar nach dem Ereignis auftreten oder erst Monate bis Jahre später.
Hauptsymptome:
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Intrusionen (Wiedererleben des Traumas):
- Flashbacks (Gefühl, das Trauma erneut zu erleben)
- Albträume
- Intensive emotionale oder körperliche Reaktionen auf Erinnerungen an das Trauma
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Vermeidungsverhalten:
- Meiden von Orten, Personen oder Situationen, die an das Trauma erinnern
- Emotionale Abstumpfung (keine Freude oder Interesse mehr an Dingen, die früher wichtig waren)
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Übererregung (Hyperarousal):
- Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme
- Übermäßige Schreckreaktionen
- Gereiztheit oder Wutausbrüche
- Hypervigilanz (ständige Wachsamkeit, Gefühl permanenter Bedrohung)
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Dissoziation:
- Gefühl, von der eigenen Umwelt oder dem eigenen Körper losgelöst zu sein („wie in Watte gepackt“)
- Zeitliche oder räumliche Orientierungslosigkeit
- Erinnerungslücken oder Gefühl, nicht wirklich anwesend zu sein (Depersonalisation/Derealisation)
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Negative Veränderungen in Denken und Gefühlen:
- Schuld- und Schamgefühle („Ich hätte es verhindern müssen.“)
- Gefühl der Hoffnungslosigkeit
- Misstrauen gegenüber anderen Menschen
4. Behandlungsmöglichkeiten in der Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie bietet verschiedene wissenschaftlich fundierte Methoden zur Behandlung von Traumafolgestörungen. Ziel ist es, die belastenden Erinnerungen zu verarbeiten, Ängste zu reduzieren und die Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen.
A) Stabilisierung & Ressourcenaktivierung
Bevor eine Konfrontation mit traumatischen Erinnerungen erfolgt, muss die betroffene Person stabilisiert werden. Dazu gehören:
- Achtsamkeit & Körperwahrnehmung: Förderung des Gefühls, „im Hier und Jetzt“ zu sein.
- Sicherheitsstrategien: Entwicklung von Notfallplänen für emotionale Krisen.
- Imaginationsübungen: Innerer „sicherer Ort“, um sich emotional zu regulieren.
- Selbstfürsorge & Routineaufbau: Tagesstruktur und gesunde Lebensgewohnheiten.
B) Konfrontation:(Expositionstherapie)
Ziel ist es, die belastenden Erinnerungen zu verarbeiten, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Dies geschieht schrittweise in einem geschützten therapeutischen Rahmen.
Therapeutische Methoden:
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Prolonged Exposure Therapy (PE):
- Wiederholte, kontrollierte Konfrontation mit traumatischen Erinnerungen, um deren emotionale Belastung zu reduzieren.
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Imagery Rescripting (IRRT):
- Veränderung belastender Erinnerungen durch das Umschreiben von Szenarien in der Vorstellung.
- Beispiel: Eine erwachsene Version der Person kann dem traumatisierten „inneren Kind“ beistehen und Schutz bieten.
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EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing):
- Verarbeitung traumatischer Erinnerungen durch bilaterale Stimulation (z. B. Augenbewegungen oder Klopfen).
- Hilft, die emotionale Ladung der Erinnerungen zu reduzieren.
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Narrative Expositionstherapie (NET):
- Chronologische Aufarbeitung der traumatischen Erlebnisse zur Integration in die eigene Lebensgeschichte.
C) Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
Traumatisierte Menschen haben oft tiefsitzende Überzeugungen wie:
- „Ich bin schuld am Trauma.“
- „Die Welt ist gefährlich.“
- „Ich bin wertlos.“
Die KVT hilft, diese verzerrten Denkmuster bewusst zu machen und durch realistische Bewertungen zu ersetzen.
Techniken:
- Kognitive Umstrukturierung (z. B. „Ich habe überlebt und bin stärker geworden.“)
- Rollenspiele, um neue Denk- und Verhaltensweisen zu üben
- Verhaltensexperimente zur Überprüfung der eigenen Ängste
D) Emotionsregulation
Menschen mit PTBS haben oft Schwierigkeiten, Emotionen zu steuern. Therapieansätze dafür:
- DBT-Techniken (Dialektisch-Behaviorale Therapie):
- Akzeptanz und Veränderung negativer Emotionen.
- „Skills-Training“ zur besseren Selbstregulation.
- Achtsamkeitsbasierte Verfahren:
- Übungen, um Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen, ohne von ihnen überwältigt zu werden.
E) Soziale Reintegration & Zukunftsplanung
- Aufbau von sicheren Beziehungen
- Entwicklung von Zielen und Perspektiven für die Zukunft
- Erlernen von Entspannungs- und Selbstfürsorge-Strategien
5. Fazit
Traumatherapie ist ein mehrstufiger Prozess, der sich an den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen orientiert. Durch Stabilisierung, kontrollierte Konfrontation und kognitive Veränderung können Menschen lernen, mit den Folgen eines Traumas umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen.